Basics: Nachhaltigkeitskommunikation

„(...) die Gesellschaft kann nur die Verhaltensweisen, von denen sie Kenntnis hat, bei der Bewertung von Unternehmen berücksichtigen“.

Niklas Luhmann, 1990

 


Bedeutung und Relevanz von Nachhaltigkeitskommunikation
Das obige Zitat übertragen auf Nachhaltigkeit meint, dass nachhaltiges Wirtschaften erst dann seine positive Wirkung vollständig entfalten kann, wenn es von den relevanten Stakeholdern (Anspruchgruppen) positiv wahrgenommen wird. Notwendig dafür ist die Etablierung einer effektiven, unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation. Diese umfasst alle kommunikativen Handlungen im Bezug auf ökonomisches, soziales und ökologisches Engagement in den drei Teilbereichen Marktkommunikation, interne Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Nachhaltigkeitskommunikation verschafft den Unternehmen u.a. Möglichkeiten der Vertrauensbildung und Profilierung. Sie verpflichtet diese aber auch zu einer offenen, ehrlichen und umfassenden Kommunikationsform. Die meisten Unternehmen – auch im Food- und Agribusiness – nutzen als Ausgangsformat den klassischen Nachhaltigkeitsbericht, der in der Regel online verfügbar ist bzw. teilweise auch auf einer eigenen Nachhaltigkeitswebseite abgebildet wird. Die meisten Berichte orientieren sich an international bzw. national anerkannten Standards bzw. Leitlinien (siehe unten) und erfassen alle wichtigen Themen (siehe unten) und Steuerungsgrößen, was wiederum eine wertvolle Grundlage für das Nachhaltigkeitsmanagement bzw. allgemein die Unternehmensführung ist.

Chancen und Herausforderungen
Neben dem Transportieren der Geschäftsidee bzw. Marke, schafft Nachhaltigkeitskommunikation vor allem Glaubwürdigkeit und verbessert die Absatzchancen insbesondere in einem Marktsegment, in dem ökonomische, ökologische und soziale Aspekte ein zentrales Kaufkriterium darstellen. Weitere Vorteile sind:

  • Unterstützung der Datengrundlage für das interne Controlling und Risikomanagement
  • Stärkung der Kundenbeziehung sowie allgemein des Dialogs mit Stakeholdern
  • Legitimation des wirtschaftlichen Handelns durch Stillen des gesellschaftlichen Informationsbedürfnisses
  • Einhaltung von Gesetzen (Compliance) sowie national bzw. international etablierten Mindestanforderungen und Standards ... mehr erfahren zu "CSR und Recht", insbesondere EU Berichtspflicht, die ab 2017 in Deutschland wirksam wird
  • Sensibilisierung der MitarbeiterInnen und deren Einbindung in das Nachhaltigkeitsmanagement ... mehr erfahren zu "Soziale Seite der Nachhaltigkeit"
  • Förderung des Managements der eigenen Lieferkette ... mehr erfahren zu "Nachhaltiges Wirtschaften"
  • Differenzierungsmerkmal für Produkte und/oder Dienstleistungen
  • Gesellschaftlicher Beitrag durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Nachhaltigkeitsfragen

Eine zentrale Voraussetzung für die glaubwürdige Darstellung der eigenen Nachhaltigkeitsleistung ist eine vollständige und nachvollziehbare Datenlage. Schwierigkeiten bereiten Unternehmen in dem Zusammenhang u.a. die Messbarkeit ihrer Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialeinwirkungen aufgrund bspw. komplexer Wertschöpfungsketten. Darüber hinaus fehlen ihnen oft finanzielle und/oder personelle Ressourcen, die Kapazität für eine innerbetriebliche, interdisziplinäre Zusammenarbeit und den ehrlichen, regelmäßig zu führenden Dialog mit den relevanten Anspruchsgruppen.

Sieben Stufen zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts
Stufe 1: Nachhaltigkeitsvision und -strategie
Stufe 2: Rahmenbedingungen
Stufe 3: Stakeholderanalyse und Wesentlichkeitsmatrix
Stufe 4: Datensammlung
Stufe 5: Ableitung von Zielen und Maßnahmen
Stufe 6: Berichtserstellung und -verbreitung
Stufe 7: Prozessoptimierung


Quelle: angelehnt an "In 7 Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht", BDI und econsense, 2014, S. 15, ... mehr erfahren in Dokumente.

Stufe 1 Nachhaltigkeitsvision und -strategie
Nachhaltigkeitsstrategie ist das Gesamtbild aller Aktivitäten einschließlich mittel- und längerfristiger Ziele sowie messbarer Maßnahmen, die idealer Weise untereinander abgestimmt sind und eine „Stoßrichtung“ aufweisen. Wichtig ist, die Nachhaltigkeitsstrategie in die Unternehmensstrategie zu integrieren und den Bericht als Steuerinstrument für ihre Umsetzung zu nutzen.

Stufe 2 Rahmenbedingungen
Der Berichtserstellungsprozess bindet viele Ressourcen. Daher sollte ein unter Einbeziehung aller unternehmensinternen und -externen Teammitglieder zu entwickelnder Projektplan mit Zeitschiene, Personal- und Budget-Ressourcen zugrunde liegen. Dazu gehört auch die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses zum Berichtserstellungsprozess und des -konzept.

Stufe 3 Stakeholderanalyse und Wesentlichkeitsmatrix
Stakeholder sind alle Organisationen, Personen oder Gruppen, welche auf das berichtende Unternehmen Einfluss haben und/oder durch dessen Aktivitäten betroffen sind. Im Bericht sollte aufgezeigt werden, wie das Unternehmen die für sein Handeln relevanten Stakeholder identifiziert sowie ob und wie es den kontinuierlicher Dialog mit ihnen pflegt und dessen Ergebnisse in den Nachhaltigkeitsprozess integriert. Für die Hersteller von Agrar- und Lebensmittelprodukten sind vor allem EndkonsumentInnen, MitarbeiterInnen sowie Handel und Gesellschaft besonders wichtig, die bspw. mit der sog. „Einfluss-Interessen-Matrix“ dargestellt und deren Interessen und Informationsbedürfnisse aufgezeigt werden können.

Quelle: Anspruchsgruppen des Unternehmens Ulrich Walter GmbH/Lebensbaum, Nachhaltigkeitsbericht 2013 Ulrich Walter GmbH / Lebensbaum (siehe auch aktualisierte Grafik im Bericht 2016 http://nachhaltigkeit.lebensbaum.com/html5.html#/4)
Quelle: Anspruchsgruppen des Unternehmens Ulrich Walter GmbH/Lebensbaum, Nachhaltigkeitsbericht 2013 Ulrich Walter GmbH / Lebensbaum (siehe auch aktualisierte Grafik im Bericht 2016 http://nachhaltigkeit.lebensbaum.com/html5.html#/4)

Die Ermittlung und Gewichtung wesentlicher Themen ist ein zentraler Prozessschritt, woran Aufbau und Inhalte des gesamten Berichts ausgerichtet werden. Auf Basis von Befragungen relevanter interner und externer Stakeholder (z. B. durch Umfrage oder Stakeholder Roundtables) können Themen und deren Gewichtung zugeordnet und in der Wesentlichkeitsmatrix übersichtlich abgebildet werden. Das auch als Materialitätsmatrix bezeichnete Tool ist eine Gegenüberstellung der Einschätzungen des Unternehmens und der Stakeholder zur Wesentlichkeit der Nachhaltigkeitsaspekte und bietet auch allgemein für das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement wertvolle Erkenntnisse.

Relevante Themen nach Lebensmittelsektoren:

Inhalte angelehnt an: Nachhaltigkeit in der Lebensmittelwirtschaft, Institut für Nachhaltiges Management e.V. (IfNM), 2014, S. 5, http://www.nachhaltigkeitsstudie-nrw.de/Downloads/Ergebnisbroschüre_02.9.2014.pdf
Inhalte angelehnt an: Nachhaltigkeit in der Lebensmittelwirtschaft, Institut für Nachhaltiges Management e.V. (IfNM), 2014, S. 5, http://www.nachhaltigkeitsstudie-nrw.de/Downloads/Ergebnisbroschüre_02.9.2014.pdf

Stufe 4 Datensammlung
Das Sammeln der quantitativen Daten und qualitativen Informationen zu den wesentlichen Themen sollte auf Basis von selbst festgelegten Leistungsindikatoren erfolgen. Hilfreich sind Fragebögen, Interviews und eine effektive Datenerfassungssoftware für die Kennzahlenerfassung. Daten und Kennziffern sollten einen Vergleich mit dem Vorjahr und ggf. mit den Folgejahren ermöglichen.

Stufe 5 Ableitung von Zielen und Maßnahmen
Konkrete Ziele sollten auf Basis der „SMART“-Analyse (S=Spezifisch, M=Messbar, A=Attraktiv/Akzeptiert, R=Realistisch, T=Terminiert) definiert und berichtet werden, um deren Erreichungsgrad kontrollieren zu können. Wichtig ist eine enge Verknüpfung der Ziele mit der Nachhaltigkeitsstrategie. Auf diese Weise kann das übergeordnete Ziel durch spezifische, themenbezogene Teil-Ziele und die dahinterliegenden Maßnahmen operationalisiert werden. Maßnahmen dienen der Zielerreichung und sollten daher im Hinblick auf ihre Wirksamkeit regelmäßig auf dem Prüfstand stehen und ggf. angepasst werden.

Stufe 6 Berichtserstellung und -verbreitung
Ausgehend von klaren, zielgruppenorientierten Aussagen sollten diese stets glaubhaft belegt und mit den Zielen bzw. der Gesamtstrategie in Beziehung gesetzt werden. Es ist empfehlenswert, den Bericht übersichtlich aufzubauen (Abdeckung der drei Nachhaltigkeitssäulen Wirtschaft, Umwelt und Soziales) und durch visuelle Elemente ein schnelles Erfassen der Informationen zu ermöglichen. Auch Schwierigkeiten und offene Fragen bzw. Zielkonflikte und Dilemmasituationen sollten adressiert werden. Abschließend erfolgt bei Bedarf eine externe Validierung bspw. durch Umweltgutachter, wo insbesondere die richtige Anwendung von Berichtsstandards (siehe unten) bei gleichzeitiger Einhaltung der Berichtsgrundsätze Relevanz, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Neutralität und Verständlichkeit überprüft wird.

Beispielhafter Berichtsaufbau*

  1. Profil des Unternehmens bzw. der Organisation
    (wirtschaftliche Rahmendaten und Darstellung der Unternehmensführung)
    sowie Nachhaltigkeitsvision- und strategie
    (einschl. übergeordnete Ziele, Stakeholderanalyse und wesentliche Themen)
  2. Wirtschaft**
    (z. B. wirtschaftliche Leistungen und Auswirkungen, Management der Lieferkette)
  3. Produktverantwortung**
    (z. B. Produkteigenschaften und –kennzeichnung, KundInnenschutz- und zufriedenheit etc.)
  4. Ökologie**
    (z. B. Materialeinsatz, Ressourcenverbrauch, Emissionen, Abwasser/Abfall, Transport etc.)
  5. Arbeitspraktiken**
    (z.B. Beschäftigungsstruktur, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Aus- und Weiterbildung, Vielfalt etc.)
  6. Menschenrechte**
    (z. B. Auflistung und Umgang mit Menschenrechten wie Gleichbehandlung, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Kinderarbeit, Zwangs- und Pflichtarbeit etc.)
  7. Gesellschaft**
    (z. B. lokale Gemeinschaften, Politik, gesellschaftliches Engagement etc.)
  8. Kennzahlen und Ziele einschließlich Erfolgskontrolle
  9. Anhang
    (z. B. GRI Index, UN Global Compact Fortschrittsbericht, Validierung, Rahmendaten zum Bericht etc.)

* Orientierung für den Berichtsaufbau bieten die aktuellen GRI G4 Leitlinien, die die Wesentlichkeit als Kernprozess zu Grunde legen und neue Anforderungen im Bereich Corporate Governance und Lieferkette aufweisen
 ... mehr erfahren in Dokumente.

** Kapitel 2-7 enthalten in der Regel themenspezifische Managementansätze sowie Angaben zur Steuerung der Themen in der Lieferkette

Für die aktive Verbreitung des Berichts an Stakeholder nutzen Unternehmen diverse Formate, um gezielt auf die Kommunikationsbedürfnisse und -gewohnheiten der unterschiedlichen Stakeholdergruppen einzugehen und diese einzuladen, die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens bewusst wahrzunehmen. Allgemein geht der Trend in Richtung interaktiver, dialogischer Kommunikation. Folgende Formate sind gängig:

  • Gedruckter und/oder online verfügbarer Bericht ggf. mit interaktivem Kennzahlen-Tool
  • Eigenständige Berichtswebseite
  • Umwelterklärung (reduzierter Bericht mit Fokus auf Umweltthemen)
  • Integrierter Bericht (d.h. Integration von Finanz- und Nicht- Finanzkennzahlen, jedoch noch nicht weit verbreitet,
  • Journal (auch online verfügbar)
  • Broschüren und Flyer
  • Soziale und digitale Medien
  • Pressearbeit, Funk und Fernsehen
  • Interviews, Reportagen, Kurzfilme
  • Vorträge z.B. auf Veranstaltungen und Messen
  • Informationen am Produkt (unterstützt durch Siegel oder Zertifikate) sowie am Point of Sale (z.B. KundenbetreuerInnen informieren über Nachhaltigkeit)

Stufe 7 Prozessoptimierung
Die gesammelten Erfahrungen aus dem Erstellungsprozess sollten dokumentiert und zur kontinuierlichen Verbesserung der Berichtserstellung genutzt werden. Es empfiehlt sich, dafür einen Workshop mit dem Berichtsteam rechtzeitig vor Beginn der nächsten Berichtserstellung durchzuführen.
Details zur erfolgreichen Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie Trends und Best Practice Beispielen im Bereich Nachhaltigkeitskommunikation werden im Rahmen des INANi-Seminar "Anspruchsgruppen glaubwürdig und transparent einbinden – die effektive Nachhaltigkeitskommunikation" vertiefend vorgestellt ...mehr erfahren zum INANi-Seminar

Ausgewählte Standards und Rankings
Reportingstandards und Rankings schaffen standardisierte Rahmenbedingungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie bieten Indikatoren und Leitlinien, die Unternehmen nutzen können, um ihre Leistungen und Auswirkungen mit anderen Unternehmen und über die Zeit hinweg zu vergleichen und darüber mit Anspruchsgruppen in den Dialog zu treten. Sie liefern zudem eine Bewertungsgrundlage für die externe Validierung bzw. Zertifizierung.

  • GRI - Global Reporting Initiative - Richtlinien
    sind international etabliert und werden auf Basis eines weltweiten Dialogs mit Stakeholdern kontinuierlich weiter entwickelt.
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  • ISO 26000
    Dieser Leitfaden dient als Orientierungshilfe für die Umsetzung von CSR und enthält Empfehlungen sowie Good Practices.
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Beide Standards sind komplementär, viele Indikatoren der GRI sind dazu geeignet, Empfehlungen der ISO 26000 zu quantifizieren.

  • UN Global Compact
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  • Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
    Bietet mit 20 Berichtskriterien, die auch an GRI angelehnt sind, eine übersichtliche Orientierung insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.
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  • IÖW und future Ranking
    Kriterien helfen, über die unternehmerische Nachhaltigkeitsleistungen vollständig und in der gebotenen Tiefe zu berichten.
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  • AA 1000 Standard mit Fokus auf Nachhaltigkeitsberichterstattung und Einbindung von Stakeholdern

Hinweise, wie diese Standards ineinander greifen, finden Sie im ISO 26000 Leitfaden unter Dokumente ... mehr erfahren in Dokumente.

Haftungsausschluss
Wir machen darauf aufmerksam, dass die obigen Ausführungen einschließlich der Inhalte im Bereich „Dokumente“ lediglich dem unverbindlichen Informationszweck dienen und keine verbindliche Beratung bzw. Rechtsberatung darstellen. Insofern verstehen sich alle angebotenen Informationen ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

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